Der Gedenktag des heiligen Vinzenz Pallotti fällt auf den 22. Januar. Dieses Jahr feiern wir 100 Jahre pallottinische Präsenz in der Schweiz. Dankbar blicken wir zurück auf ein segensreiches Wirken der Mitbrüder. Dankbar auch auf all die grosse Unterstützung, die wir von verschiedener Seite erfahren dürfen. Wir blicken hoffnungsvoll in die Zukunft: Gott hat etwas vor mit uns und wir bemühen uns, seinen Plan zu erkennen und seinen Willen zu tun. Bleiben Sie mit uns verbunden über das Jubiläumsjahr hinaus!
Als Festgabe hier meine Gedanken zum Relief von Roman Brunschwiler. P. Adrian Willi SAC
Mein liebstes Pallotti-Bild ist ein Bronze-Relief des Schweizer Bildhauers Roman Brunschwiler, das er anlässlich der Neugestaltung der Marienkapelle der Pallottiner in Morschach (Schweiz) im Jahr 2013/14 schuf. Das Bild zeigt einen wichtigen Augenblick im Leben des Heiligen, der sozusagen sein Leben und seine Sendung zusammenfasst. Als Pallotti im Dezember 1835 Rektor der neapolitanischen Nationalkirche Spirito Santo wurde, traf er Verhältnisse an die in etwa symbolisch für den Zustand der ganzen Kirche waren. Das kirchliche Leben erlag der Resignation und Ignoranz eines verweltlichten Klerus. Die Kirche Spirito Santo war ruinös und fast immer geschlossen. Dort erwartete die Menschen nichts mehr und die Menschen erwarteten dort auch nichts mehr und gingen achtlos an ihr vorbei.
Als Erstes ordnete der neue Rektor an, die Kirchentür aufzuschliessen. Als Zweites brachte er das Innere der Kirche wieder in Ordnung, so dass es ein einladender Ort wurde und als Drittes gestaltete er Angebote und Veranstaltungen, die die Menschen wieder in die Kirche zogen.
Die Jahre an Spirito Santo sind für die Vision und Entfaltung des Katholischen Apostolates von grosser Bedeutung. Ohne die UNIO hätte Pallotti diese Kirche nicht zu neuem Leben erwecken können. Das Bronze-Relief zeigt Pallotti auf der Schwelle wie er das Tor öffnet. Im Hintergrund ragt die Kuppel des Domes über dem Petrusgrab empor. Ponte Sisto, die Brücke, die Trastevere mit der Stadt verbindet spannt sich über den Tiber.
Auf der Tiberinsel sieht man Menschen die ihre Erwartung auf den Heiligen setzen und zu seinen Füssen, abgewandt vom Betrachter und zusammengekauert, ein Bettler, der sein Gesicht vor Scham versteckt.
Pallotti stösst die Tür der Kirche auf und schreitet, den Hut in der Hand und die Tasche geschultert, in die Welt. Die Kirche ist missionarisch oder sie ist nicht Kirche! Verschliesst sie sich, vermodert sie und die Welt verarmt. „Uscire da se stesso“ fordert Papst Franziskus, hinausgehen, ausgetretene Pfade verlassen, über sich selbst hinauswachsen, keine Nabelschau sondern Anteilnahme, wie auch immer wir es übersetzen. Es ist die Dialektik: Im Loslassen empfangen, im Hinausgehen heimkommen.
Ponto Sisto - Brücken schlagen! Von oben nach unten, von links nach rechts, von konservativ zu progressiv, von Frau zu Mann, von alt zu jung, vom Verstand zum Glauben, von Hierarchie zum Volk, vom Klerus zum Laien, von der Vergangenheit zur Zukunft…
Die Kuppel birgt das Apostelgrab. Wichtiger als was dort liegt ist, was es bewirkt. Die Leute nannten Pallotti Apostel Roms. Petri Geist inspiriert den Heiligen und in seinem Blick verbirgt sich die Frage: Quo vadis? - Wohin gehst du? Der Blick in die Ferne richtet sich auf den Betrachter: Wohin gehst du? Und der Blick in die Ferne übersieht nicht das Naheliegende, die Not des Nächsten. Das Erbe des anderen Apostels, Paulus: Caritas Christi urgent nos - Die Liebe Christi drängt uns.
Der Türflügel, den Pallotti hier aufstösst, zeigt in seinen Türfeldern Symbole, die das Charisma Vinzenz‘ zusammenfassen: Unten die Schöpferhand Gottes. Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild. Der Mensch ist ein Abbild Gottes, das ist Pallottis Menschenbild. Gott, die unendliche Liebe! Die Hybris hat dieses Bild entstellt, aber die Gnade Gottes will es wieder herstellen, noch wunderbarer als zuvor. Dazu beruft Gott Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die drei Kronen im zweiten Feld erinnern an Epiphanie. Hier in Spirito Santo entwickelt Pallotti die Epiphaniefeier. Pallotti sieht darin die Berufung der „Heidenwelt“ und seine enge Beziehung zum Apostolat. Auch die Weisen aus dem Morgenland hatten die Berufung zum Apostolat, brachten sie doch die Botschaft in ihre Heimat. Deutlicher kann die Universalität des Apostolates nicht zur Sprache gebracht werden.
Und schliesslich kommen in den letzten zwei Türfeldern die pfingstlichen Feuerszungen herab. Pfingsten: Geburt und Sendung der Kirche unter dem Patronat Mariens, der Mutter Jesu und der Mutter der Kirche. Auch die Geburtsstunde der Kirche bewirkte, dass Furcht und Zweifel überwunden und die Türen des Zönakels aufgestossen wurden. Die Jüngerinnen und Jünger traten hinaus in die Welt - uscire da se stessi! - und bekannten Jesus, den Auferstandenen, den Lebendigen. Alleluja!
Mein liebstes Pallotti-Bild: In einer einzigen Bewegung, in einem einzigen Schritt, ist das Ganze enthalten. Wenn ich es jeweils betrachte, verlasse ich die Kapelle als Anderer. Die Tür scheint mir leichter, als beim Eintreten.