TAGUNG AM FRIEDBERG 2021


Samstag nach Aschermittwoch, 20. Feb. 2021 (online Zoom-Meeting): Prof. Dr. Christian Cebulj Partizipation statt Depression – Zum Umgang mit Macht und Vertrauen in der Katholischen Kirche. Beitrag von P. Adrian Willi

 

Coronabedingt konnte die Tagung dieses Jahr nicht in Gossau stattfinden. Immerhin meldeten sich fünfunddreissig Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Zoom-Meeting an. Dank der Versiertheit in technischen Dingen des Provinzials, P. Andy Givel, verlief die Durchführung der Tagung reibungslos und zur Zufriedenheit aller.


P. Adrian Willi begrüsste die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und stellte den Referenten vor. Prof. Dr. Cebulj ist Hochschulrektor an der Theologischen Hochschule Chur und lehrt Religionspädagogik und Katechetik. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

P. Willi erinnerte an eine bedenkenswerte Aussage von Dr. Urban Fink an der letztjährigen Tagung: «Die Vertrauenskrise in unserer Kirche ist vor allem ein Problem der Hierarchie».

In der Tat führte mangelnde Transparenz der kirchlichen Hierarchie im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen und Personalpolitik zu einem grossen Vertrauensverlust, unter dem heute viele in der Kirche leiden. Es sind bald sechzig Jahre seit dem letzten Konzil und nächstes Jahr fünfzig Jahre seit der Synode 72 her. Ein Blick in die Dokumente dieser grossartigen Kirchenversammlungen verraten etwas von einer optimistischen Aufbruchstimmung in der Kirche, eine Kirche, die als Volk Gottes unterwegs ist. Davon ist heute kaum mehr etwas zu spüren. Anstelle von Dialog und Zusammenarbeit sind wir konfrontiert mit Resignation und Spaltung. Wie kommen wir aus dieser Krise heraus?

Prof. Cebulj stellte seinen Ausführungen voran, dass er nicht zu den Unheilspropheten zählen möchte. Auch wenn die Analyse oft fast nur noch ein negatives Bild ergibt, gibt es immer noch Grund zu kirchlichem Optimismus. Er zitierte Kurt Marti: «Die Zukunft war früher besser» und den Buchautor Harald Welzer (Transformationsdesign, Wege in eine zukunftsfähige Moderne, oekom): «Alles könnte anders sein und es wird anders werden».

Das Ende des «Ancien Régime», der Untergang des Gottesgnadentum (1803) und die Entwicklung zu demokratischen, liberalen Gesellschaft hat das Leben sicherer gemacht. Im Politischen hat die Veränderung zu mehr Sicherheit geführt: Rückgang der Armut, Freiheit und Selbstbestimmung, politische Mitbestimmung. Zwar noch nicht das Paradies, aber besser als früher. Die röm. kath. Kirche hat sich reaktionär verhalten. Sie ist heute fast weltweit noch das einzige absolutistisch-monarchische Gebilde. Diese Machtzuspitzung ist geschichtlich erklärbar aus dem Bedürfnis einer bestimmten Zeit heraus. Seither sind 200 Jahr vergangen – die Zeiten haben sich geändert: Nicht nur zum Schlechten! Veränderung wird oft nur als negativ oder gefährlich abgelehnt, obwohl eigentlich die Erfahrung etwas anderes lehrt.

Der Münchner Kirchengeschichtler Hubert Wolf zeigt in seinem Buch «Krypta» (C.H. Beck) «unterdrückte Traditionen» der Kirche auf, die uns heute Inspiration für Veränderungen geben könnten. Dies in den zentralen, anstehenden Fragen wie Umgang mit der Macht (Gewaltentrennung), Partizipation und Zusammenarbeit auch in Leitungsaufgaben (Frauenfrage, Zulassung zu Ämtern etc.), Rolle des Priesters / Ständekirche Klerus-Laien, aber auch in lehramtlichen Fragen (Synodalität statt Zentralismus) und der Sexualmoral bzw. Partnerschaft und Familie. Der sogenannte «synodale Weg», den verschiedene Bischofskonferenzen initiieren, wird sich dann bewahrheiten, wenn sich ein neues Miteinander auch in der Frauenfrage, ein neues Miteinander in den Bischofskonferenzen und ein neues Miteinander in der Ökumene abzeichnet.

Im Buch «Kirche, reformiere dich!» (Hg. Hanspeter Schmitt, Herder) haben verschiedene Autorinnen und Autoren Reformansätze aufgezeigt, die aus den Ordensgemeinschaften kommen: Spirituelle Traditionen geben Anstoss zum Umdenken, Formen von Leitungskompetenzen von Frauen, die Zusammenarbeit mit Laien (Drittorden etc.), das Dialogische (Gehorsam, auf einander Hören), das sozial-karitative Engagement (Solidarität, wir sitzen alle im gleichen Boot) geben richtungsweisende Hinweise, wie eine Veränderung zum Besseren und die Stärkung des Vertrauens ineinander gefördert werden können. Hier liegt ein grosses Zukunftspotential für die Kirche: Die Ordensgemeinschaften als «Experimentierfelder».

Die Kirche ist einem Lernprozess unterworfen: Von der Alleinseligmachenden und Diktierenden wird sie sich zu einer einladenden Gemeinschaft entwickeln, die das Wertvolle, das Gottgegebene anbietet und lebt. Sie wird sich – wie Dr. Cebulj es ausdrückte – aus Pilgern und Konvertiten zusammensetzen: Aus jenen, die immer wieder dankbar ein Angebot annehmen und jenen, die sich ganz mit ihr identifizieren.

Dr. Cebulj verstand es, die Zuhörerinnen und Zuhörer verständlich anzusprechen. PPT-Präsentations-Folien waren sehr behilflich für das Verständnis. Die anschliessende Diskussionsrunde half mit, verschiedene Themen sozusagen praktisch und konkret zu vertiefen. Die Stimmung war bis zum Schluss aufgestellt und die Tagung am Friedberg 2021 schloss mit leicht optimistischer Zuversicht. Die nächste Tagung am Friedberg wird wiederum am Samstag nach Aschermittwoch, 2. März 2022 sattfinden. Dann hoffentlich wieder auf dem Friedberg!

 

P. Adrian Willi