Tagung am Friedberg

Eine Zusammenfassung von P. Adrian Willi, Provinzial

 

Dr. Urban Fink-Wagner

Geschäftsführer der Inländischen Mission

 

100 Jahre Pallottiner in der Schweiz - Gemeinsam die Kirche erneuern

 

Um die fünfzig Teilnehmer und Teilnehmerinnen durfte P. Adrian Willi an der Tagung am Friedberg begrüssen. Das Thema der diesjährigen Veranstaltung kreiste um die Bedeutung der Apostolischen Gemeinschaften des 19. und 20. Jahrhunderts für die Kirche Schweiz in der Geschichte und der Gegenwart.

Dr. Urban Fink-Wagner gab zuerst einen Einblick in das Besondere des römischen Priesters Vinzenz Pallotti. Aus wohlhabenden und gebildeten Verhältnissen stammend wäre er prädestiniert für eine kirchliche Karriere gewesen. Er verzichtete jedoch freiwillig und bewusst auf das Privileg einer Pfründe um frei zu sein für die Erneuerung der Kirche. Im Zentrum stand die Überwindung der Klerikerkirche durch die Miteinbindung der Laien in die Verantwortung für ein gelebtes Evangelium durch ein universales Apostolat.

Ein Blick in die katholische Kirche Schweiz zurzeit Vinzenz Pallottis machte klar, dass auch hier die Einheit von Kirche und Staat durch die Säkularisierung und durch die Entstehung nationaler Staaten zerbrach und die soziale Frage durch die Industrialisierung und Verstädterung eine ganz neue Herausforderung war. Durch die Gründungen vor allem verschiedener Fraueninstitute trat man der sozialen und kulturellen Not entgegen. Ein «Berufungsboom» führte zu einer Verweiblichung der Kirche. Dadurch wurde die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederhergestellt und führte in der Neuordnung der politischen Verhältnisse zum Milieukatholizismus und zu einer «Verbände-Kirche».

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese neuen, apostolischen Gemeinschaften soweit gefestigt, dass sie neue Aufgaben übernehmen wollten. So kamen verschiedene Missionsgesellschaften mit neuen Erfahrungen auch in die Schweiz. 

Für die Pallottiner und die Pallottinerinnen stand ein Missionsverständnis nach aussen (Evangelisierung in den Missionsgebieten) und nach innen (Evangelisierung in der eigenen Kirche) im Vordergrund. Dies dem Charisma Pallottis entsprechend, der die sogenannte «Heidenmission» nicht von einer Erneuerung des Glaubens unter den Katholiken loslösen wollte. Vor allem durch die Gründung von Schulen (kulturkämpferische Emanzipation), Verbreitung von Zeitschriften wie auch durch die Mitarbeit in der Gemeindepastoral durch Aushilfen und Volksmissionen, fand die Idee eines universellen Apostolates Gehör. Die Texte des 2. Vatikanischen Konzils rehabilitierten das Kirchenbild Pallottis und die Anstrengungen der pallottinischen Gemeinschaften. Nicht umsonst hat Papst Johannes XXIII. Vinzenz Pallotti indirekt zum Patron des Konzils ernannt.

Heute stehen Gesellschaft und Kirche wieder vor grossen Veränderungen. Kirchlich gesehen steckt vor allem die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Hierarchie in einer Krise (Macht, Geld, Doppelmoral). Das birgt die Gefahr von Lähmung und Frustration auf allen Ebenen mit sich. Andrerseits stellen wir innerkirchlich eine Polarisierung und Spaltung fest und eine Dialogunfähigkeit, die bis in die Bischofskonferenz reicht. Diese Krise behindert die Nachwuchsförderung und fördert das Opferrollen denken.

Was also tun? Zunächst muss man die Realität wahrnehmen und verstehen. Gott spricht zu uns auch durch die Krise. Was will er uns sagen? In einer offenen Gesellschaft können Christen nur noch eine Rolle spielen, wenn sie in Demut den Dialog sucht. Niemand hat die Wahrheit für sich gepachtet, auch Christen bleiben Suchende und Fragende. Eher peinlich mutet daher der jüngste Wall von Heiligsprechungen von Päpsten an: Es ist klar, dass hier auch gleichzeitig ein vatikanisches System «heiliggesprochen» werden soll, ein System, das restaurative Tendenzen hat und der Glaubwürdigkeit nicht gerade förderlich ist. Gerade die Apostolischen Gemeinschaften zeigen uns sowohl in der Geschichte wie in der Gegenwart, dass man das Kleine wagen und mit kleinen Schritten in die Zukunft gehen soll. Ein solcher Weg lässt sich auch leicht korrigieren. Das Charisma ihrer Gründerinnen und Gründer ist so weit, dass jede Zeit darin Antworten findet und auf Herausforderungen eingehen kann. Die Kirche lebt nicht von Strukturen, sondern vom Geist, von der Spiritualität. Strukturen ändern, der Geist bleibt! Das Verhältnis von Charisma und Amt ist spannungsgeladen. Pallotti entschied sich für das Charisma.

Die anschliessende lebhafte Diskussion war eine Konsequenz des engagierten und geradlinigen Referates. In den Voten kam die ganze Spannbreite der heutigen Kirchensituation zum Vorschein. Einerseits war spürbar, dass viele Veränderungen erwarten und enttäuscht sind, dass sich die Kirche nicht bewegt. Andrerseits gab es auch die warnenden Stimmen, dass sich die Kirche nicht der Welt anpassen dürfe. Die Gespräche fanden ihre Weiterführung bei einem Apéro riche, zu dem die Pallottinergemeinschaft einlud.